Von Dunedin bis Christchurch

Unbenannt

Am Tag nach unserer Wanderung fiel uns das Aufstehen ziemlich schwer. Doch letztlich war es der immense Hunger, welcher uns aus dem Auto scheuchte und dazu brachte die eingerosteten Gliedmaßen wieder in Bewegung zu bringen. Ziemlich schnell waren wir uns einig, dass an diesem Tag wenige Punkte auf dem Programm stehen würden und wir die meiste Zeit mit dem Autofahren verbringen wollten. Dank eines Geheimtipps besuchten wir auf unserer Route in den Süden die weniger bekannte Limestone Cave bei Clifden. Ohne große Vorerwartungen kletterten wir mit alten Arbeitssachen und Stirnlampen bewaffnet in einen kleinen Höhleneingang am Rande der Straße. Anfänglich waren wir noch völlig unflexibel und der gesamte Körper schmerzte noch von den Vortagen. Doch dieses Gefühl sollte beim Anblick der Höhle schnell vergehen. Nur wenige Meter nach dem Start befanden wir uns bereits in der völligen Dunkelheit und konnten an dieser Stelle ein erstes Mal die Besonderheit der Höhle bestaunen. Beim Ausschalten aller Lichtquellen waren überall in den Felswänden leuchtende Glühwürmchen zu sehen, welche die Wände wie ein Sternenhimmel aussehen ließen. Als wir die Höhle weiter entlang gingen bogen wir um eine kleine Ecke ab, vorbei an einer engen Spalte welche steil nach unten führte und einem kleinen Anstieg von welchem aus uns Licht entgegen schien. Nachdem wir die Steine hochgeklettert waren, erblickten wir einen Höhlenausgang und wunderten uns über die sehr schnelle Tour. Wir liefen erneut an der Straße entlang und schauten wohl ziemlich verwundert, sodass uns eine Frau ansprach und fragte, ob wir die eigentliche Strecke in die Höhle nicht gesehen hätten. Sie versicherte uns, dass wir die beinahe unmöglich aussehende, enge Stelle in den Abgrund klettern müssten, um auf die tatsächliche Höhlentour zu treffen, welche über 300 Meter lang ist und ungefähr eine Stunde in Anspruch nimmt. Vor dieser besagten Stelle trafen wir auf ein französisches Pärchen, welches genauso ungläubig und etwas hilflos an dieser Stelle vorbei gegangen war und so ergab es sich, dass wir zu 4 in die Tiefe der Höhle eintauchten. Sobald wir die sehr enge Passage überwundert hatten, war der Rest der Höhle wieder deutlich besser begehbar, bis wir nach ca. 30 min erneut vor einem größeren Hindernis standen. Wir blickten nun hinab auf einen kleinen Pool, welcher einen kleinen, fast Kugelförmigen Raum ausfüllte und am Rand wenig Platz zum vorbei gehen ließ. Für die meisten Besucher ist dies die Stelle für eine Kehrtwende und den Rückweg. Doch der Mut der jungen Französin stachelte uns an uns und so meisterten wir mit gemeinschaftlicher Hilfe und dem gegenseitigen Leuchten dieses Hindernis. Kurz vor dem Beenden der Höhle trafen wir erneut auf einem Glühwürmchen Spot, welcher noch größer und stärker beleuchtet war als der vorherige. Sobald man das Licht ausschaltete und wenige Minuten an der Stelle verharrte, sah man von Mal zu Mal immer mehr dieser kleinen Tierchen und es entstand vor dem sich anpassenden Auge ein Meer aus kleinen, leuchtenden Sternen.

Nach einer Stunde Höhlenerforschung befanden wir uns erneut im Auto und fuhren weiter in Richtung Dunedin. Auf der Fahrt ließ ich die vergangene Woche noch einmal Revue passieren, in welcher ein Highlight das andere gejagt hatte. In dieser einen Woche hatten wir die Freestyle Wanderung vor den Toren von Queenstown durchgeführt, sind mit der höchsten Schaukel der Welt in den Abgrund gesprungen, haben den Kepler Track in zwei Tagen absolviert und zu guter Letzt eine atemberaubende Höhle erkundet.

Mit der Hoffnung auf besseres Wetter fuhren wir ein Stück der Küstenstraße im Süden über Invercargill bis nach Dunedin. In dieser süd-östlich gelegenen Stadt verbrachten wir zwei Nächte bis wir in die zentrale Südinsel vorstießen. Obwohl mir dieser Ort recht gut gefiel und mich das künstlerisch angehauchte Flair der Stadt sehr überzeugte, existieren von diesen Tagen keine Bilder. Wir nutzten die Zeit in erster Linie zum Entspannen und Herunterfahren, flanierten durch die Straßen, besuchten die Art Gallery, verköstigten uns bei einem All You Can Eat für gerade einmal 15$ und spielten am Abend gemeinsam Billard.

Nachdem wir während der ruhigen Tage in dem beschaulichen Örtchen unsere Kräfte wieder mobilisiert hatten, fuhren wir über das Landesinnere in die Region des Mount Cook National Parks. Neben dem höchsten Gipfel des Landes, welcher 3754m hoch ist, besticht diese Region vor allem mit seiner unglaublichen Seenlandschaft und der Schönheit des ungewöhnlich und schon fast surrealen, türkis-blauen, gletschergespeisten Lake Pukaki sowie Lake Tekapo.

Zunächst verbrachten wir unsere erste Nacht auf einem free campground in der Nähe von Twizel. Tags darauf fuhren wir bei sehr schönem Sonnenschein vorbei am L. Pukaki in das riesige Gebirgstal des Mt. Cook oder Aoraki, wie er von den Maori genannt wird. Von einem sehr touristisch aussehenden Parkplatz aus führt eine 3-stündige Wanderung durch das eindrucksvolle und vom Schotter gesäumte Tal zwischen den riesigen Gebirgsketten. Am Ende dieses V-förmigen Tales erblickt man den alleinstehenden und Schneeüberzogenen Gipfel des Mt. Cook, welcher jedoch selten wolkenfrei bewundert werden kann. Die Tatsache, dass dieser Fleck zu den Unesco Weltkulturerben zählt und am Ende des Wanderpfades der 27 km lange Tasman Gletscher mit dem Gebirgsmassiv verschmilzt führt dazu, dass dieser Track mit unzähligen, überwiegend asiatischen Touristen überfüllt ist. Zu meiner leicht genervten Stimmung über diese Tatsache kam auch noch eine starke Verwunderung über die teils sehr unpassende Kleidung der Anwesenden. Spätestens nach einer Stunde Fußmarsch und dem Einsetzen eines starken Regens wurde klar, dass ein blaues Abendkleid oder eine weiße Hose mit kurzärmligem, blauem Hemd tatsächlich die falsche Outdoor Bekleidung darstellte. Leider verfolgte uns wieder einmal unser Wetter Pech auf der Südinsel und wir wurden beinahe die gesamten drei Stunden ordentlich vom Regen und dem starken Wind durchgepeitscht. Dazu kam noch, dass eine starke Wolkendecke den zu bestaunenden Gipfel mehr und mehr verdeckte und wir schließlich am Ende des Weges nur noch schnell wieder zurück laufen wollten. Am Nachmittag führte uns die Route weiter östlich an den Lake Tekapu. Hier fanden wir in der Nähe des gleichnamigen Örtchens einen wunderbaren Platz zum wild campen. Leider konnten wir den angeblich schönsten Sternenhimmel Neuseelands abermals aufgrund des zugezogenen Himmels nicht bewundern.

Am nächsten Tag besichtigten wir einen weiteren Ort, welcher für uns und alle Herr der Ringe Fans zu einem Must-Do in Neuseeland zählte – den Mt. Sunday oder besser bekannt unter dem Filmnamen Edoras. Schon alleine der Gedanke an die Filmszenen und die atemberaubende Kulisse erzeugte bei uns Gänsehaut und versetzte uns in die Filme zurück. Über eine nicht enden wollende gravel road gelangt man in das riesige und flache Gebirgstal in dem der Felsen, welcher im Film von einem Dorf besiedelt ist, surreal und wie hingesetzt auf dem Flachland steht. Da sich der gesamte Ort auf einem riesigen Privatgelände befindet, lässt dies keine ausschweifenden Erkundungstouren zu. Doch alleine der Anblick und die Besteigung dieses Felsens ließ unser Blut in den Adern gefrieren. Auf dem Rückweg mussten wir noch einige Male anhalten, um erneut zurück zu blicken und ein „wirklich letztes Foto“ zu machen.

Noch am selben Tag schrieben wir gemeinsam mit unseren anderen beiden Jungs und verabredeten uns auf einem Zeltplatz in der Nähe von Christchurch. Hier verbrachten wir gemeinsam 3 Nächte und erkundeten wieder einmal zu viert die Stadt und die anliegenden Strände. Ich hatte zu vor schon davon gehört, dass man die Auswirkungen des letzten starken Erdbebens aus dem Jahr 2011 noch sehen kann. Doch das sich diese Zeichen noch viele Jahre später in diesem Ausmaß präsentieren, hätte ich nicht gedacht. Wo man auch nur hinschaut wird in dieser Stadt gebaut. Für Autofahrer ist es ein reinstes Labyrinth sich durch die unzähligen Umleitungen zu fädeln und Fußgänger laufen in jedem Straßenzug an einer neuen Baustelle vorbei. Die bisherigen Fortschritte im Wiederaufbau der Stadt lassen ein sehr modernes und künstlerisch angehauchtes Stadtbild durchblitzen. Doch bis zur endgültigen Fertigstellung der zukünftig modernsten Stadt Neuseelands werden noch einige Jahre vergehen. Ein besonders tragisches Mahnmal dieser Tragödien aus den Jahren 2010 und 2011 stellt die Christchurch Cathedral dar. Da derzeit nach wie vor das Geld für einen Neuaufbau fehlt und Denkmalschützer den begonnen Abbau verbieten konnten stehen die Überreste nun als wohl größtes Symbol für das Erdbeben in der Stadt. In einem bunten Zaun eingehüllt bleibt das Schicksal wohl ebenso noch Jahre ungewiss. Eine weitere künstlerische Installation sind die 185 Chairs, wobei jeder einzelne der weiß angestrichenen Stühle für ein Opfer des großen Bebens im Februar 2011 steht. Hier kann man der Verstorbenen Gedenken, auf den Stühlen Platz nehmen oder einfach die besondere Atmosphäre dieses Ortes aufsaugen. Christchurch zeigt sich auch in weiteren Vorhaben sehr kreativ und modern. So wurden nach dem Unglück schnell die riesigen Schiffscontainer zu einem Symbol der verwüsteten Stadt. Wenige Jahre später entstand dann aus diesen provisorischen Lagerräumen die sogenannte RE:START Mall, welche viele kleine Läden zum Stöbern auf eine sehr raffinierte und moderne Art und Weise vereint. Des Weiteren verbrachten wir auch einige Stunden in der anschaulichen Christchurch Art Gallery, dem ebenso kostenfreien Canterbury Museum sowie dem artenreichen Botanic Garden. Am Abend lädt die Stadt mit ihren kleinen Kneipen und Bars zum Feiern und Spaß haben ein, wobei wir dadurch sehr gut gemeinsam in Andrés Geburtstag in einer Billard-Bar reinfeiern und mit ein paar Bier anstoßen konnten. Das Wetter erlaubte uns sogar seit langem mal wieder einen ausgedehnten Strandtag mit einer vorhergehenden Trainingseinheit auf einem Spielplatz in Mitten von spielenden Kindern. Am 08. Februar war es dann soweit, dass wir uns das letzte Mal von Niklas und Leon nach unserer Henkersmahlzeit verabschieden mussten. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir, dass wir uns zumindest in Neuseeland nicht noch einmal wieder sehen würden.

Uns führten die Route und unsere Pläne dann wieder zurück nach Nelson, wo wir unser altes Auto abgestellt und einem deutschen Backpacker als Übernachtungsmöglichkeit angeboten hatten. Unser Verkaufsplan sah vor, den Toyota Corola ebenso mit auf die Fähre zu nehmen und den Wagen in Wellington an einen Inder aus Auckland zu verkaufen. Der gesamte Deal klang selbst für uns sehr abenteuerlich und wir wussten welches Risiko wir mit so einem hohen Vertrauen auf uns nahmen. Sind wir mal ehrlich – hätte alles geklappt wie vereinbart hätte uns jeder für diese Story gefeiert, doch so sind wir leider zum tragischen Opfer geworden. Denn eines kann ich vorweg nehmen – der Käufer hatte uns in dem Moment abgesagt, in dem wir mit beiden Autos auf die Fähre aufgefahren waren. So schifften wir leicht verzweifelt und mit 1000 Fragen wie es nun weiter gehen sollte in die Ungewissheit auf der Nordinsel…



2 Gedanken zu “Von Dunedin bis Christchurch

  1. Hey mein Schatz! Danke für deinen tollen Blog und, dass du uns alle teilhaben lässt. Ich denke an dich und liebe dich! Und ich bin sehr gespannt was für süffisante Details da im nächsten Beitrag stehen haha. Ganz viel Liebe ❤️

    Like

Hinterlasse einen Kommentar